Der Winterdienst in Eisenach: „Das ist manchmal Zentimeterarbeit“

Es ist die allabendliche Winterdienstroutine. Der diensthabende Winterdienstleiter schaut auf den Bildschirm über den die Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes für die nächsten Stunden flimmert. Diese Vorhersage ist entscheidend dafür, ob die 30 Mitarbeiter des städtischen Winterdienstes am nächsten Morgen um vier Uhr ihre Arbeit antreten müssen, ob sie in Bereitschaft gerufen werden oder ob sie ein wenig länger schlafen dürfen und dann zur normalen Zeit um 7.15 Uhr an den Dienstposten sein müssen.

„Die Vorhersage ist deutlich besser etwa als die Wetter-Apps auf den Handys, man kann sich gut darauf verlassen, aber es bleibt immer ein wenig ein Orakel“, weiß Holger Rudolph. Der 46-jährige Eisenacher ist seit 26 Jahren im städtischen Bauhof mit dabei und hat einen langen Titel, nämlich kommissarischer stellvertretender Sachgebietsleiter Bauhof und ist eben einer jener drei Winterdienstleiter.

Winterdienst stellt natürlich eine besondere Herausforderung für jeden einzelnen dar, weil nächtliche Schichten wie in jedem anderen davon betroffenen Beruf den Tagesablauf komplett auf den Kopf stellen. Das geht eben um vier Uhr los und um 7.15 Uhr in die normale Schicht bis 13.15 Uhr. „Wenn ich dann n ach Hause komme, leg ich mich meist erst mal etwas hin und schlafe“. Abends heiß es dann „eigentlich nach dem Sandmännchen ins Bett“, lacht Rudolph. Aber wer noch was von seiner Familie haben will, bleibt dann eben doch bis 21 Uhr wach. Dann ist aber Schluss, schließlich ist um drei Uhr die Nacht zu Ende. Gemeinsame Winterferien kennen Winterdienst-Familien nicht.

Die zweite Schicht startet dann um 16.15 Uhr und geht wochentags bis 22 Uhr, an den Wochenenden bis 20 Uhr.

In Eisenach gibt es zwei Abteilungen im Winterdienst, die einen haben die Straßen zu betreuen, die anderen die Gehwege und Treppenanlagen, für die Stadt zuständig ist, eben auch weil sie wie jeder andere Hauseigentümer Räumpflicht auf den Wegen entlang der eigenen Grundstücke hat. Fünf Straßen-Touren gibt es, auf denen die Stadt nach einem festgelegten Tourenplan räumt. Bundes- und Hauptverkehrsstraßen im Stadtgebiet haben Vorrang, dazu kommen wichtige Steilstrecken und Straßen, auf denen die Busse fahren. Die drei Fahrzeuge des Bauhofs und zwei Fahrzeuge von externen Firmen stehen dafür parat. Gesetzlich vorgeschrieben ist der Winterdienst von sechs bis 22 Uhr.

Eine Tour dauert etwa drei Stunden

Und dennoch fangen die Eisenacher um vier Uhr an, damit vor Beginn des Berufsverkehrs in den Morgenstunden die Hauptstraßen geräumt und gestreut sind. Die Touren sind so ausgelegt, dass sie bei normalen Winterverhältnissen etwa drei bis dreieinhalb Stunden dauern.

„Das gibt es auch nicht in jeder Kommune, dass die Hauptstraßen nahezu den ganzen Winter durchgehend völlig von Eis und Schnee befreit sind“, berichtet Thomas Filler, Sachgebietsleiter Bauhof und auch Winterdienstleiter. Das ist dann schon ein etwas luxuriöser Zustand, an den sich die Einwohner aber schnell gewöhnt hätten. In anderen Kommunen sei es durchaus üblich, dass man bei richtig Schneefall auf weißen Straße fahre, „ist eben Winter“.

Über seinen Job klagen, will Rudolph nicht. Auch wenn er nicht mehr so oft am Lenkrad von Unimog und Co. sitzt, weiß er, dass es für viele Kollegen auch eine schöne Sache ist, die starke Technik und kraftvollen Maschinen zu bewegen. „Das wird nicht langweilig und jeder Tag bringt andere Herausforderungen“.

Eine dieser besonderen Herausforderungen ist die Südstadt-Tour: steil, glatt, kurvig und eng. Das etwa eine Tonne schwere Schiebeschild vorn am Laster ist 3,20 Meter breit, da es aber schräg gekippt ist, um den Schnee an die Seite zu schieben, braucht es 2,75 Meter in der Breite Platz. Und diesen Platz gibt es gerade im Südviertel nicht immer. „Wenn auf beiden Seiten geparkt wird, ist das manchmal Zentimeterarbeit“, weiß Rudolph. Viel Erfahrung und ein gutes Auge machen sich da bezahlt.

Noch schwieriger wird es, wenn die Grundstückseigentümer den Schnee vom Gehweg auf der Straße am Rand auftürmen. Dann nämlich rücken auch die parkenden Autos immer noch ein Stück mehr in die Straße selbst. Eingeklappte Außenspiegel würde da schon ein wenig helfen. Rudolph weiß natürlich, dass sich die Anwohner ärgern, wenn sie gerade den Gehweg frei geräumt haben, und dann der Winterdienst die weiße Pracht wieder auf den Gehweg zurück schiebt. „Da würde ich mich auch ärgern, aber manchmal ist einfach so wenig Platz, dass es nicht anders geht“. Und dabei fahren die Räumautos ja schon extra langsam, damit nicht mehr Schnee als nötig im Falle des Falles auf die Gehwege zurück fliegt.

20 Stundenkilometer ist so in etwa die normale Geschwindigkeit. Wobei diese Geschwindigkeit auf den komplizierten Touren wie Südviertel, Hofferbertaue oder Ramsberg nur selten erreicht würden. „Wir erleben ja die Straßen tatsächlich winterlich, vor uns hat ja keiner geräumt“, so Rudolph.

Salz wird in Eisenach auf den Gehwegen nur im Notfall eingesetzt, meist Granulat gestreut. Eine Streuerfüllung sind rund 350 bis 400 Kilo Granulat.

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